DBU aktuell Nr. 04 | 2018

Informationen aus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

Sehen Sie selbst... © Ingo Kowarik/TU Berlin
Natur- und Kulturschutz verbinden: Auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee sammeln Wissenschaftler Daten über Pflanzen, Tiere und den Zustand der Gräber. Ein Leitbild soll helfen, den Interessenkonflikt bei der Pflege des Areals aufzulösen.
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Mäusebussard, jüdischer Friedhof Weißensee © Jens Scharon
Der streng geschützte Mäusebussard brütet in alten Bäumen des Friedhofs.
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3.) Naturschutz und Denkmalpflege auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee

Der Jüdische Friedhof in Berlin-Weißensee ist ein herausragendes Kulturdenkmal sowie ein Lebensraum mit hoher biologischer Vielfalt. In Teilbereichen konnten sich wildnisartige Strukturen entwickeln, die zu besonderen Herausforderungen führen: Die jüdische Gemeinde wünscht die Erhaltung und Pflege als Bestattungs- und Erinnerungsort, die Denkmalpflege ist zur Erhaltung des bedeutenden Garten- und Kulturdenkmals verpflichtet und für den Naturschutz spielt die Bewahrung der vorhandenen biologischen Vielfalt eine große Rolle.

Ziel eines DBU-geförderten Kooperationsprojektes der Technischen Universität Berlin, des Landesdenkmalamts Berlin, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, der Friedhofsverwaltung Weißensee und der Stiftung Neue Synagoge Berlin war es daher, Daten zur biologischen Vielfalt zu erheben und in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege und weiteren relevanten Akteuren Ziele des Naturschutzes bei der Bewahrung und Entwicklung des Friedhofs zu berücksichtigen.

Zur Analyse der vorhandenen Flora und Fauna wurde der Bestand ausgewählter Organismengruppen wie Moose, Flechten, Farn- und Blütenpflanzen, Vögel, Fledermäuse und Laufkäfer untersucht. Die große Bedeutung des Friedhofs für die biologische Vielfalt wird durch das Vorkommen von 363 wildwachsenden Gefäßpflanzensippen, davon 20 seltene und gefährdete Arten, unterstrichen. Da der jüdische Friedhof historisch bedingt lange Zeit nicht regelmäßig gepflegt wurde, hat er sich zu einem wertvollen Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten entwickelt. Allerdings führte dies zu Konflikten mit der Grabmalerhaltung und der Verkehrssicherheit: Bruchgefährdete Bäume stellen Gefahren für Besucher dar und beeinträchtigen die Grabmalsubstanz.

Auf Basis der Bestandsanalyse und unter Beteiligung aller betroffenen Akteure erarbeiteten die Projektpartner ein Leitbild. Dies hatte zum Ziel, den Friedhof als kulturellen Ort der Erinnerung mit seiner herausragenden Denkmalsubstanz und besonderen biologischen Vielfalt zu schützen und zu erhalten. Aus dem Leitbild wurden modellhafte Managementkonzepte für unterschiedliche Bereiche des Friedhofs mit Vorschlägen für eine abgestufte, differenzierte Pflege entwickelt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen konzentrieren sich auf die Erhaltung und Entwicklung eines Mosaiks naturnaher und parkartiger Gehölzbestände in der Fläche, aber auch auf das Bewahren von Einzelstrukturen. Zu diesen zählen Grabgehölze, Friedhofswiesen oder bewachsene Friedhofsmauern.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen wurden im Rahmen des Projekts an insgesamt drei Grabfeldern modellhaft erprobt. Dabei wurden bedeutsame Grabgehölze gepflegt, vorhandener Gehölzbestand behutsam ausgelichtet und die Standsicherheit einer für den jüdischen Friedhof Weißensee typischen Grabmalarchitektur verbessert.

DBU-AZ 29773