DBU aktuell Nr. 04 | 2018

Informationen aus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

DBU-Symposium Wiesenfelden 2018 Natur- und Denkmalschutz © Deutsche Bundesstiftung Umwelt
Diskutierten zu Natur- und Denkmalschutz: die Teilnehmenden des DBU-Symposiums in Schloss Wiesenfelden
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DBU Naturerbefläche Peenemünde © Norbert Rosing / DBU Naturerbe GmbH
Von Wasser umgeben: Die Naturerbefläche Peenemünde ist von der Küstendynamik der Ostsee geprägt: Winde, Strömungen und die Wellen des Meeres versetzen Kies und Küstensand von Ost nach West. Es entstehen Sandwälle, -haken und Nehrungen.
Historisch-Technisches Museum Peenemünde © HTM Peenemünde GmbH
Das Historisch-Technisches Museum Peenemünde erinnert an die NS-Vergangenheit der Fläche.
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2.) Naturschutz im Spannungsfeld der Geschichte

Seit etwa 200 Jahren engagieren sich Menschen für den Naturschutz. Parallel zu technischem Fortschritt, Industrialisierung und Verstädterung wuchs im Verlauf des 19. Jahrhunderts das gesellschaftliche Bewusstsein für die Schutzwürdigkeit der Natur. Was als soziale Bewegung begann, ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts in der Politik verankert und unterliegt ihren Einflüssen. Während des Nationalsozialismus wurde der Naturschutz formalisiert und instrumentalisiert und nach 1945 in Ost- und Westdeutschland weiter vorangetrieben. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurden bestimmte Truppenübungsplätze aufgegeben und die Flächen im Rahmen des Nationalen Naturerbes für den Naturschutz gesichert. An der ehemaligen innerdeutschen Grenze entstand das Naturschutzprojekt „Grünes Band“ (siehe DBU aktuell 07/2017 und 09/2017)

Diese wechselvolle Entwicklung prägt auch die Flächen der DBU Naturerbe GmbH. Auf einigen der überwiegend vormals militärisch genutzten Flächen finden sich bauliche Relikte aus der Zeit des Nationalsozialismus und der jüngeren Geschichte und führen zu einem Nutzungskonflikt: Naturschützende möchten seltene Tier- und Pflanzenarten erhalten, während Historikerinnen und Historiker dort einen Ort der Erinnerung sehen.

„Viele der heutigen DBU-Naturerbeflächen wurden als ehemalige Truppenübungsplätze in der Zeit des Nationalsozialismus genutzt oder gar neu angelegt. Daher haben die Flächen auch eine historische Dimension. Die DBU Naturerbe GmbH kümmert sich deshalb nicht nur um den reinen Naturschutz, sondern reflektiert auch die Geschichte dieser Flächen“, sagt Prof. Dr. Werner Wahmhoff, stellvertretender DBU-Generalsekretär und fachlicher Leiter sowie Prokurist des DBU Naturerbes.

Dieser Aufgabe stellte sich die DBU im April im Umweltzentrum Schloss Wiesenfelden. 25 Fachleute aus unterschiedlichen Disziplinen diskutierten gemeinsam mit der DBU über die perspektivische Ausrichtung bezüglich der Geschichte der DBU Naturerbeflächen und wie Naturschutz und Denkmalpflege sinnvoll ineinandergreifen könnten. Dazu wurden an zwei Veranstaltungstagen insgesamt sieben Impulsvorträge gehalten und diese im Anschluss erörtert. Die Veranstaltung stand auch im Zeichen des aktuellen Europäischen Kulturerbejahres, dessen Ziel es ist, das gemeinsame kulturelle Erbe Europas und dessen Potenzial für Identifikation, Teilhabe und Entwicklung miteinander zu teilen.

Neben einem kritischen Rückblick auf die Geschichte des Naturschutzes wurden zwei konkrete Beispiele vorgestellt und diskutiert: der Westwall, ein ehemaliges, von den Nationalsozialisten errichtetes militärisches Verteidigungssystem entlang der Westgrenze des Deutschen Reiches sowie die DBU Naturerbefläche Peenemünde. In dem 25 Quadratkilometer großen ehemaligen Rüstungskomplex Peenemünde auf Usedom betrieben die Nationalsozialisten ab 1936 eine Heeresversuchsanstalt (HVA), um Massenvernichtungswaffen zu entwickeln, herzustellen und zu testen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs übernahm die Nationale Volksarmee bis zur Wende 1990 das Gelände.

In den Diskussionen stellte sich als Kernbotschaft heraus: Auch wenn Denkmal- und Naturschutz sich nach 1945 getrennt voneinander entwickelten haben, müssen diese beiden Bereiche zusammen betrachtet werden. Vor allem die Pflege von Kulturlandschaften erfordert das Zusammenwirken von Natur- und Denkmalschutz. Insofern wurde die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Naturschutz, Denkmalpflege und Historikerinnen und Historikern als wichtiger Ansatzpunkt gesehen.

Gerade Flächen mit nationalsozialistischer Vergangenheit sind auch für weitere Personengruppen von Interesse wie beispielsweise die lokale Bevölkerung, politisch Bildende, Gedenkstätteninitiativen, aber auch Militärbegeisterte und Rechtsextremisten. Die Frage nach dem richtigen Umgang mit der Vergangenheit sowie Bürgerbeteiligung und öffentliche Diskussionen mit allen Interessengruppen hielten die Veranstaltungsteilnehmenden daher für bedeutend.

Für die DBU fasste Wahmhoff in seinem Schlusswort zusammen: „Der Zusammenhang von Geschichte, Denkmalschutz und Naturschutz wird in Zukunft noch intensiver für die einzelnen Flächen behandelt werden müssen. Gerade in Europa, wo fast ausschließlich Kulturlandschaften vorhanden sind und zudem die Geschichte der Weltkriege und insbesondere des Nationalsozialismus ihre Spuren hinterlassen hat, ist die kulturgeschichtliche Betrachtung von besonderer Bedeutung.“

Programmübersicht, Vortragsfolien und Abstracts finden sich hier.