DBU aktuell Nr. 7 | 2020

Informationen aus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

Sussane Belting, DBU Naturerbe © Deutsche Bundesstiftung Umwelt
Die Diplom-Biologin Susanne Belting leitet die DBU Naturerbe GmbH seit April 2019 fachlich.
Download

5.) „Es bleibt spannend, wie sich der Wald entwickeln wird“ – Susanne Belting im Interview

Biodiversität, der Klimawandel und eine naturnahe Waldentwicklung sind nur einige der Themen, mit denen sich die DBU Naturerbe GmbH beschäftigt. Das Ziel der DBU-Tochter ist es, auf ihren Flächen die Strukturvielfalt und den Reichtum an heimischen Tier- und Pflanzenarten zu erhalten und zu fördern. DBU aktuell sprach dazu mit der fachlichen Leiterin Susanne Belting.

DBU aktuell: Frau Belting,  2020 gilt als das „Super-Biodiversitätsjahr“ – können Sie erklären, was damit gemeint ist?

Belting: Es ist das internationale Biodiversitätsjahr. Wir als DBU Naturerbe GmbH besitzen deutschlandweit Flächen des Nationalen Naturerbes. Für uns ist das ein ganz entscheidendes Jahr, weil wir uns wieder bewusst werden, was für tolle Flächen wir haben und welche Artenvielfalt sich dort findet. Die biologische Vielfalt ist entscheidend, es geht um Lebensräume, Tier- und Pflanzenarten und um die Vielfalt der genetischen Variabilität.

DBU aktuell: Welchen Beitrag leistet die DBU Naturerbe GmbH?

Belting: Wir betreiben auf unseren DBU-Naturerbeflächen Naturschutz. Das ist unsere Aufgabe. Wir führen Maßnahmen durch, die der Natur dienen und letztendlich die Lebensräume erhalten und optimal gestalten, sodass verschiedene Arten dort leben können. Wir haben auf den Flächen besondere Lebensräume, die es in der Normallandschaft nicht mehr so häufig gibt. Magere Standorte zum Beispiel, feuchte Standorte oder auch Wälder, wo die Natur noch Natur sein darf. Die Naturschutzmaßnahmen schaffen eine Vielfalt an Lebensräumen, die den Arten zugutekommt.

DBU aktuell: Was ist eine naturnahe Waldentwicklung?

Belting: Naturnahe Waldentwicklung bedeutet, dass wir in diesen Bereichen nicht mehr eingreifen. Ein naturnaher Wald besteht optimalerweise aus standortheimischen Bäumen in allen Altersstadien. Auch Totholz gehört dazu. Wir versuchen unsere Wälder – wir haben überwiegend Nadelwälder – zu unterstützen, damit sie sich zu einem naturnahen Wald entwickeln. Das heißt, wir lichten Bestände auf und fördern Laubbäume. Wir betreiben auch ein Wildmanagement und reduzieren Wildbestände, damit Laubgehölze wie Eichen hochkommen können. Dann kann sich der Wald ab einem bestimmten Zeitpunkt selbst entwickeln – ohne Eingriff. Wir sind mit den Ergebnissen sehr zufrieden. Man merkt, dass die Revierleiter und Revierleiterinnen auf den Flächen unsere Ideen umsetzen und sieht, dass die Entwicklung in eine richtige Richtung geht. Ganz wichtig ist dabei, wie gesagt, das Wildmanagement.

DBU aktuell: Fördern diese Maßnahmen die Artenvielfalt?

Belting: Ja! Wir haben in einem kürzlich abgeschlossenes Projekt, dem Wildnis Naturerbe Projekt (WiNat) unter anderem geschaut, wie sich Arten im naturnahen Wald entwickeln und ob die Artenvielfalt zunimmt. Allein schon dadurch, dass wir das Totholz nicht mehr aus den Wäldern holen, sondern im Wald liegen lassen, werden Pilze und Totholzbewohner gefördert. Wir sind noch am Anfang, aber man sieht jetzt bereits Tendenzen, dass die Arten auf einem guten Weg sind und die Strukturvielfalt zunimmt.

DBU aktuell: Ein weiterer trockener Sommer geht zu Ende. Wie zeigt sich das in den Wäldern? Und wie geht das DBU Naturerbe damit um?

Belting: Wir haben bereits bei unserer Jahrespressekonferenz im Sommer gezeigt, dass wir durch die Dürre extreme Schäden in unseren Wäldern haben. Das wird durch Kalamitäten, also Borkenkäferbefall verstärkt. Wir haben Abgänge und sogenannte Waldschäden. Aber wenn man auf eine natürliche Waldentwicklung setzt, so wie wir sie auf großer Fläche anstreben, dann muss man diese Abgänge akzeptieren. Sie können auch eine Chance für junge Bäume sein, die nun ausreichend Licht und Raum haben. Wobei die Dürre natürlich ein Problem ist. Das ist für unsere Wälder dramatisch, weil sich die Trockenheit mittlerweile auch auf die Laubholzbestände auswirkt. Wir haben auch Buchen, die geschädigt sind. Es bleibt wirklich spannend, wie sich mit dem Klimawandel und den Dürrejahren der Wald entwickeln wird. Trotz alledem wollen wir bei unserer Strategie bleiben. Wir wollen weiterhin auf eine Naturverjüngung setzen und nicht anfangen neu zu pflanzen. Wir hoffen, dass sich dann heimische Baumarten einstellen, die besser an diese neuen Bedingungen angepasst sind.

DBU aktuell: Und außerhalb des Waldes – macht sich die Trockenheit im Offenland bemerkbar?

Belting: Ja. In den offenen Mooren, die auf einen hohen Wasserstand angewiesen sind, haben wir große Probleme. Es gibt gerade in den feuchten Standorten angepasste Arten, die auf diese extremen Bedingungen eingestellt sind und wenn der Wasserstand sinkt, kann es passieren, dass vielleicht andere Arten einwandern, die an die Trockenheit besser angepasst sind, und somit feuchteliebende Arten verdrängt werden. Abgesehen von der Biodiversität sind trocken gefallene Moore schlecht für das Klima. Denn es wird ein Prozess in Gang gesetzt, der letztlich Kohlenstoffdioxid freisetzt, das vorher im Torfboden gespeichert blieb. Wir haben aber auch Probleme mit Grünlandflächen, die wir verpachten und die extensiv bewirtschaftet werden. Die Pächter haben das Problem, dass der Ertrag an Heu und der Aufwuchs für die Beweidung nicht mehr ausreicht, weil der Standort im Sommer zu trocken ist. In einigen Gebieten sehen die Flächen wie eine Steppenlandschaft aus. Im Frühjahr kann beispielsweise gemäht werden, aber dann wächst nichts mehr nach. Das ist für die Landwirte, die sich eigentlich auf eine andere Ernte eingestellt haben, extrem schwierig. Auf die Bewirtschaftung sind wir angewiesen, weil sie den Lebensraum vor Ort erhält und wir die Artenvielfalt dort bewahren wollen.