Newsletter der DBU-Nachwuchsförderprogramme vom 09.01.2023

Infos aus den DBU-Nachwuchsförderprogrammen - Nr. 86 - Ausgabe I 2023

Frederick Qasem auf der CBD COP 15 in Montréal  © Frederick Qasem
Frederick Qasem auf der CBD COP 15 in Montréal
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13.) CBD COP 15 in Montreal - Ein Wendepunkt für mehr Biodiversitätsschutz

Die Erwartungen waren hoch an die 15. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention (CBD COP 15), die vom 7. bis 19. Dezember 2022 im kanadischen Montréal stattfand.

Als Delegationsmitglied der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) durfte ich die Verhandlungen zum globalen Biodiversitätsrahmen (GBF) vor Ort beobachten. Erreicht werden sollte für den Biodiversitätsschutz ein „Paris-Moment“, also ein Abkommen mit einer solchen Ausstrahlungswirkung, die mit der des Übereinkommens von Paris im Klimaschutzrecht vergleichbar ist. Erzielt wurde nun ein „Montréal-Moment“, der das Ende und die Umkehr des Biodiversitätsverlustes einläuten soll.

Der Rahmenvertrag zum Schutz der biologischen Vielfalt ist zwar rechtlich nicht bindend, entfaltet jedoch – insbesondere aufgrund der eingebauten Kontrollmechanismen – erheblichen politischen Druck. Er beinhaltet vier übergreifende Langzeitziele („goals“) sowie 23 Aktionsziele („targets“), die bis 2050 bzw. bis 2030 erreicht werden sollen. Das medial wohl am meisten im Fokus stehende Aktionsziel 3 soll sicherstellen, dass 30 Prozent der Land- und Binnengewässer sowie der Küsten- und Meeresgebiete durch Schutzgebiete und sog. other effective area-based conservation measures (OECMs) – gegebenenfalls unter Anerkennung indigener Gebiete – bis zum Jahr 2030 wirksam erhalten und verwaltet werden.

Leider gilt das Ziel nicht für jedes Land individuell, sondern ist global zu verstehen. Nicht jedes Land muss daher das Ziel erreichen, soweit auf globaler Ebene eine Zielerreichung gewährleistet wird. Auch bei anderen Zielen steckt der Teufel wohl im Detail. So lautet beispielsweise das Aktionsziel 7, das Gesamtrisiko von Pestiziden und hochriskanten Chemikalien bis zum Jahr 2030 um die Hälfte zu verringern, nicht aber den Pestizid- und Chemikalieneinsatz an sich zu reduzieren. Positiv und im Vergleich zu den bis 2020 geltenden Aichi-Zielen eine Neuerung sind die Umsetzungs- und Überwachungsmechanismen, die eine Gewähr dafür bieten sollen, dass die Ziele erreicht werden. Auch ist es als ein großer Erfolg zu bewerten, dass eine Einigung überhaupt erzielt werden konnte.

Vor Beginn der Verhandlungen in Montréal schien dies nur schwer vorstellbar, da die Positionen als verhärtet und der Verhandlungsprozess als festgefahren galten. Kurz vor den High-Level-Segments drohten die Verhandlungen gar an der Finanzierungsfrage zu scheitern. Den Minister*innen wurden von ihren Delegierten Dokumente übergeben, in denen noch eine Vielzahl eckiger Klammern – ein Zeichen der Uneinigkeit – enthalten war. Wenngleich ein Scheitern der Verhandlungen verhindert werden konnte, so war auch das Ende der COP von Ungereimtheiten begleitet, die das im Übrigen positiv zu bewertende Ergebnis etwas trüben.

So stand die Demokratische Republik Kongo der Annahme des GBFs bis zuletzt noch mit Vorbehalten gegenüber. Das GBF konnte nur dadurch angenommen werden, dass der chinesische Präsident der COP – Huang Runqiu – den Vertragsstaaten kaum Zeit ließ, formal Einwände zu erheben. Auch konnte die COP nicht formal beendet werden, da auf Anregung Russlands im Abschlussplenum die anwesenden Vertragsparteien gezählt wurden und die Auszählung zum Ergebnis gelangte, die COP sei zur Besetzung der regionalen Gruppe osteuropäischer Staaten (EEG) nicht beschlussfähig.

Es waren also aufregende Tage und schlaflose Nächte in Montréal, die hoffentlich in die Geschichte als ein Wendepunkt hinzu mehr Biodiversitätsschutz eingehen werden. Mit zunehmenden Biodiversitätsverlust nimmt die Dringlichkeit entschlossenen Handelns zum Schutz der biologischen Vielfalt zu. Es stößt an die Grenzen des Hinnehmbaren, dass wir bislang sehenden Auges der Intensivierung der Biodiversitätskrise entgegensteuern und nur in allzu kleinen Schritten ihr Einhalt zu bieten suchen. Der globale Biodiversitätsrahmen – als solcher „just a piece of paper“ – muss nun entschlossen und schnell von den Nationalstaaten umgesetzt werden.

Frederick Qasem
DBU-Promotionsstipendiat