DBU aktuell Nr. 9 | 2017

Informationen aus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

Prof. Dr. Ernst-Ulrich Weizsäcker beim Symposium der Umweltpreisverleihung 2017 © DBU/Jan Rüter
Appellierte engagiert für eine Erhöhung der Ressourcenproduktivität: der Umweltpreisträger des Jahres 2008, Prof. Dr. Ernst-Ulrich Weizsäcker

3.) Ressourcenproduktivität muss »Megathema« werden

Einen flammenden Appell für eine deutliche Steigerung des Recyclings in der Baustoffbranche richteten die Umweltpreisträger des Vorjahrs Prof. Dr. Angelika Mettke von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus, und Walter Feeß, Geschäftsführer der Heinrich Feeß GmbH & Co. KG, während des DBU-Symposiums »Effizienz – Suffizienz – Kreislaufwirtschaft: Zukünftige Ressourcenstrategie« in Braunschweig an ihre Zuhörer. Der Gründer und Geschäftsführer der Firma Fairphone, Bas van Abel, sprach sich für eine deutlich längere Nutzungsdauer von Elektronikgeräten wie Smartphones aus.

Zum Auftakt des Symposiums, das traditionsgemäß am Vortag der Umweltpreisverleihung stattfindet, hatte der stellvertretende DBU-Generalsekretär Prof. Dr. Werner Wahmhoff die Entwicklung der weltweiten Materialentnahme skizziert und betont: »Das kann so nicht weitergehen!« Als Lösungsansätze nannte er effizienteres und suffizientes Handeln unter Vermeidung des Reboundeffekts sowie die Etablierung einer konsequenten Kreislaufwirtschaft.

Mettke wünschte sich in der einleitenden Talkrunde »noch viel mehr Unterstützung in der Umsetzung des Baustoffrecyclings und der Wiederverwendung von Bauteilen«. Feeß hob hervor, dass zur Entsorgung mineralischer Abfälle in Deutschland allein 10 Mio. Lkw-Fahrten nötig seien. Ein Großteil davon lasse sich vermeiden, indem die Baustoffe vor Ort wieder aufbereitet würden. Dazu aber müsste die Akzeptanz von Recyclingbaustoffen noch deutlich gesteigert werden. Van Abel machte deutlich, dass Themen wie Nachhaltigkeit nicht nur unter technischen Gesichtspunkten diskutiert werden dürften, sondern eine humanistische, spirituelle Sicht auf die Dinge erforderten.

 

Weizsäcker: SDG’s in sich widersprüchlich

Anschließend an die Talkrunde stellte der Ko-Präsident des Club of Rome und Umweltpreisträger des Jahres 2008, Prof. Dr. Ernst-Ulrich Weizsäcker, im ersten Impulsvortrag unter Berufung auf Quellen der UNEP unmissverständlich klar: »Eine Entkopplung von Wohlstand und Ressourcenverbrauch findet weltweit nach wie vor nicht statt.« Weizsäcker verwies in diesem Zusammenhang auch auf einen anderen selten erwähnten Sachverhalt: Die Ziele der Sustainable Development Goals seien gegenseitig widersprüchlich. Die ökologischen Ziele wie Klimaschutz, Ozeane oder Biodiversität müssen nach Darstellung Weizsäckers als Verlierer der UN-Agenda gelten. Würden Hunger, Armut und Arbeitslosigkeit weltweit überwunden, führte das zu massiv mehr Treibhausgasausstoß und Ressourcenverbrauch. Weizsäcker ergänzte: »Das darf natürlich nirgends gesagt werden, das ist tabu!«

Schon im Jahr 2010 habe man im Buch »Faktor 5« belegt, dass eine Verfünffachung der Ressourcenproduktivität technisch machbar sei, fuhr der Vortragende fort. »Wenn sie machbar ist, muss sie zum Megathema werden«, so der Umweltpreisträger. Ohne ein Preissignal, unterstützt von der Politik, könne dies aber nicht funktionieren. Sein Vorschlag: Es müsse sich eine Art »Pingpong« zwischen Ressourceneffizienz und Ressourcenpreisen entwickeln. »Steigt die Ressourcenproduktivität, dürfen die Preise steigen, ohne dass dadurch das Leben teurer wird«, so das Fazit Weizsäckers.

 

Viele Ideen für besseres Bauen

Prof. Dr. Lamia Messari-Becker, Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Universität Siegen, gelang es anhand vieler Beispiele, die Zuhörer mit dem Thema »Wie baut man heute und was macht man dabei falsch?« mitzunehmen. Weltweit stehe das Bauen für 70 % Flächen-, 50 % Ressourcen- und 40 % Energieverbrauch sowie 50 % an Abfallaufkommen. Um dies zu ändern, schlug die Vortragende unter anderem eine Reform der Bebauungspläne und des Baurechts vor. Ferner machte sich Messari-Becker für mehr Nutzungsflexibilität und Multifunktionalität von Gebäuden stark: »Der Kindergarten von heute ist ein Altenheim von morgen.« Die wahre Herausforderung aber liege nicht im Neu-, sondern im Altbaubestand, so Messari-Becker. 90 % der Gebäudeemissionen entstünden in Häusern, die vor 1978 gebaut wurden. Um erfolgreich zu sein, müsse Altbaumodernisierung nach Ansicht der Bauexpertin quartiersweise organisiert werden.

 

Systemischer Ansatz vonnöten

Dr. Harry Lehmann, langjähriger Fachbereichsleiter im Umweltbundesamt (UBA), befasste sich in seinem Vortrag »Nexus Klimaschutz – Ressourceneffizienz« mit dem Thema »Große Transformation«. Lehmann plädierte für einen systemischen Ansatz der »gesamtanthroposphärischen Maschine« mit ihren zahlreichen Wechselwirkungen, Querbeziehungen und Eingriffsmöglichkeiten. Nur dieser Ansatz führe laut Lehmann zu einer zukunftsfähigen Anthroposphäre, die durch zahlreiche Elemente charakterisiert sei wie zum Beispiel globale, freie Kommunikation, nachhaltige Landwirtschaft, weltweite Fort- und Weiterbildung und nachhaltiges Finanzwesen. Deutschland werde nach Darstellung Lehmanns das Klimaschutzziel für 2020 von minus 40 % Treibhausgas-Ausstoß klar verfehlen und bei nur 35 % landen. Grund dafür seien die mangelnde Altbausanierungsrate, der Autoverkehr und die Stromproduktion aus Kohle. Als Gegenmaßnahmen forderte Lehmann den sofortigen Ausstieg aus der Kohleverstromung sowie Reformen im Mobilitätsbereich und verstärkte Aktivitäten bei der Altbausanierung. Ein ressourcenschonendes und treibhausgasneutrales Deutschland 2050, wie es in Szenarien des UBA skizziert werde, basiere im Kern neben Effizienz auf dem konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien im Rahmen eines Power-to-X-Systems. Darüber hinaus stelle die Frage der Suffizienz beispielsweise im Bereich der Flugreisen – wie viel ist eigentlich genug? – auch weiterhin ein zentrales Element einer zukunftsfähigen Gesellschaft dar.

Prof. Dr. Klaus Töpfer, ehemaliger Exekutivdirektor der UNEP und Träger des Deutschen Umweltpreises 2002, äußerte sich zum Thema Tiefsee-Bergbau (Deep Sea Mining), der beispielsweise zur Gewinnung von Silber oder Kobalt zum Einsatz kommt. Töpfer betonte, dass es kaum empirische Daten über die Folgen dieses Eingriffs in die Natur gebe und verband damit seine Empfehlung: »Wir müssen sehr viel mehr tun, um die Dringlichkeit des ‚Deep Sea Mining‘ zu vermeiden.«

In der abschließenden Diskussion wies Ralph Appel, Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure VDI, unter anderem auf die zahlreichen Aktivitäten seiner Organisation hin und hob hier vor allem das VDI Zentrum Ressourceneffizienz hervor, das die angesprochenen Themen bereits seit 2009 in Kooperation mit dem Bundesumweltministerium bearbeite.

Ein sehr bereicherndes Element der Veranstaltung stellten die Vorträge der DBU-Stipendiatinnen dar: Rebecca Bach (Bauen mit Papier), Nina Katrin Lanzer (Goethe, Trump und das Baurecht), Bettina Anne-Sophie Lorenz (Analyse zur Verringerung von Tellerresten) und Mareike Engel (Vom tödlichen Bakterium, das ein triviales, nicht spektakuläres Molekül produziert) präsentierten ihre Arbeiten in Form eines Science Slam, den Mareike Engel für sich entschied. Das Symposium wurde von Volker Angres (ZDF) moderiert.

 

Die gesamte Veranstaltung lässt sich im YouTube-Kanal der DBU nachverfolgen.