DBU aktuell Nr. 11/12 | November-Dezember 2014

Informationen aus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

Braunkohletagebau  © RWE Bilddatenbank
In diesem Jahr hat die Braunkohleverstromung in Deutschland nach Aussage von Prof. Faulstich den höchsten Anteil seit 1990 erreicht. Hier: Braunkohletagebau, Garzweiler bei Nacht.
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5.) Schrittweiser und geordneter Kohleausstiegsplan erforderlich

Erster Hauptredner im diesjährigen Symposium des Rates der Umweltpreisträger war Professor Martin Faulstich, Vorsitzender des Sachverständigenrates für Umweltfragen der Bundesregierung und Direktor des CUTEC Instituts an der TU Clausthal.

Seine Generalthese lautete: »Die Energiewende braucht den gestalteten Kohleausstieg«. Zunächst ging der Vortragende auf die Herausforderungen der Energie­wende – und auch hier – auf die derzeit dominierende Rolle der Kohle ein. Faulstich wies zunächst darauf hin, dass die CO2-Emissionen weltweit weiterhin steigen. Erst vor kurzem sei die symbol­trächtige 400-ppm-Marke auf der nördlichen Halbkugel »gerissen« worden und dies, obwohl seit mehr als 20 Jahren Klimaschutzpolitik betrieben werde. 98 % aller noch vorhandenen Kohlenstoffträger der Erde müssten – unabhängig von ihrer Verfügbarkeit – im Boden bleiben, um das 2°-Ziel noch erreichen zu können, denn die eigentliche Begrenztheit sei die Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre für CO2.

Dies erfordere einen kompletten Umbau der kohlenstoff­basierten Wirtschaft, die in dieser Form bereits über 150 Jahre existiere. In Deutschland liege der Anteil erneuer­barer Energien an der Stromproduktion zwar schon bei über 25 %, – nicht so aber beispielsweise in Ländern wie Polen, Irland, Niederlande und Griechenland, wo der Anteil von Kohle oder Atom an der Stromerzeugung noch zwischen 70 und 90 % liege. Faulstich wörtlich: »Diesen Umbau als Apolloprogramm zu bezeichnen, ist sicher nicht übertrieben«. Und: »Der Weg zur Dekarbonisierung ist noch weit«.
Faulstich verwies in diesem Zusammenhang auf ein Paradoxon der Energiewende: Im letzten Jahr wurde in Deutschland die höchste Strommenge aus Braunkohle seit dem Jahr 1990 produziert. Daran knüpfte er die Frage: »Warum kommen wir nicht von der Kohle weg?« Der Redner identifizierte dafür vor allem zwei Ursachen: erstens den niedrigen Preis von Braun- und Steinkohlestrom, zweitens den wenig steuernden Handel mit CO2-Zertifikaten, der daran scheitere, dass die Tonne CO2 mit 5–7 Euro viel zu billig sei. Hier müsse eine Vervielfachung des Preises eintreten, um eine Wirkung auf dem Strommarkt zu entfalten.

Für den Ausstieg aus der Kohle empfiehlt der Sachverständigenrat für Umweltfragen laut Faulstich einen schrittweisen und geordneten Maßnahmenplan bis spätestens 2040, der von der Bundesregierung mit allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen auszuhandeln sei. Grundlage dafür sollte ein rechtlich flankierter Ausstiegskonsens sein, der für die handelnden Akteure Planbarkeit bedeute. Sei der Ausstieg auf diesem Weg nicht möglich, müsste über zusätzliche Gesetzesinitiativen nachgedacht werden.

Mit Blick auf die vorherrschende Zusammensetzung des Endenergieverbrauchs in Deutschland mit rund 20 % für Strom, 30 % für Kraftstoffe und 50 % für Wärme wies Faulstich darauf hin, dass langfristig alle diese Sektoren aus regenerativen Stromquellen versorgt werden könnten. Technisch sei dies durchaus über die Prozesse »Power to Gas« und »Power to Liquid« möglich. Zwar müsse dafür massiv in den Bau von Speichern und Konversionsanlagen investiert werden; eine strombasierte Versorgung aller Energieverbrauchssektoren sei jedoch prinzipiell machbar, wenngleich auch technisch sehr ambitioniert. Die hier skizzierte Stromgesellschaft werde dann allerdings bis zu einer 6-fachen Menge des heutigen Strombedarfs benötigen und auf Importe an regenerativen Energieträgern angewiesen sein. Die Kosten würden allerdings durch Technologiefortschritt und Serienfertigung weiter sinken.

Abschließend betonte Faulstich, dass wir uns von unserer derzeit noch »fossil« geprägten Industriegesellschaft hin zu einer nachhaltigen Industriegesellschaft entwickeln müssten, bei der Energie- und Ressourcenverbrauch von der Bevölkerungsentwicklung und dem Wirtschaftswachstum entkoppelt seien. Dazu müsse beispielsweise die Energieversorgung zu 100 % aus erneuerbaren Quellen und der Ressourcenverbrauch bei Metallen möglichst zu 100 %, zumindest aber überwiegend, durch Recycling gedeckt werden. Eine derartige Energie- und Rohstoffwende eröffne jedoch zugleich vielfältige industriepolitische Chancen für den Standort Deutschland mit seiner exportorientierten Wirtschaft.