DBU aktuell Nr. 11/12 | November-Dezember 2014

Informationen aus der Fördertätigkeit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

6.) Wasserstoffwirtschaft: Das Rennen ist noch nicht entschieden

»Bioenergie auf dem Holzweg?« lautete der Titel des Vortrags von Prof. Dr. Detlef Schulze, Umweltpreisträger 2006, gehalten anlässlich des Symposiums der Umweltpreisträger Ende Oktober in Kassel.

Schulze begann seinen Redebeitrag mit einigen globalen Betrachtungen zur Bedeutung der Bioökonomie: Rund 37 % der Landfläche unseres Planeten würden derzeit durch Landnutzung beansprucht. Hinsichtlich der Klimarelevanz der dabei emittierten Gase müssten neben CO2 unbedingt auch Methan (CH4) und Lachgas (N2O) berücksichtigt werden. Die Landwirtschaft in Europa sei für 50 % der Methan-, 70 % der Lachgas- und 90 % der Ammoniakemissionen verantwortlich. Als Fehlentwicklung bezeichnete Schulze in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass in Deutschland noch immer rund ein Fünftel der Flächen für den Anbau von Biomasse verbraucht würden. Dies sei nicht im Einklang mit den EU-Sustainability-Vorgaben.

Schon heute werde in Deutschland der Wald intensiv genutzt. Dennoch werde man bei dem zu erwartenden steigenden Bedarf an Biomasse im Jahr 2050 weltweit auch die heute noch als weiter entfernt oder unerreichbar bezeichneten Quellen nutzen müssen. Um dies zu umgehen, wird eine weitere Intensivierung landwirtschaftlicher und forstlicher Produktion auf bereits jetzt genutzten Flächen nicht zu verhindern sein, sagte Schulze. Schätzungen zufolge könne die Bioenergie zum globalen Gesamtenergiebedarf 2050 dennoch lediglich einen Anteil von 3–6 % beisteuern. Seine Empfehlung laute daher: Biomasse für Bioenergie nur begrenzt nutzen.

Die Probleme entstünden durch eine »schizophrene Gesellschaft«, die Holz heize und Mehrkosten für »grünen« Strom aufbringe, gleichzeitig aber 10 % der Waldfläche Deutschlands in Wildnis verwandeln möchte. Der Bedarf an Brennholz übersteige die nachhaltige Nutzung der Wälder, und daher würden Pellets aus Nordamerika, Methanol aus Südamerika und Pflanzenöle aus Indonesien importiert. Schulze wörtlich: »Wir leben auf Kosten anderer Nationen«.
Der Referent skizzierte in seinem Vortrag auch die Vision einer wasserstoffbasierten (H2) Energiezukunft. Wasser­stoff könne nahezu unbegrenzt via Elektro­lyse bzw. katalytischer Spaltung aus Wasser erzeugt werden. Die dazu erforderliche Energie stamme aus erneuer­baren Quellen wie Photovoltaik und Windenergie. Wasserstoff stehe in diesem Szenario als zentraler Speicher­baustein für alle möglichen industriellen Anwendungen, für die das Molekül dann je nach Bedarf zu größeren Kohlenwasser­stoffverbindungen synthetisiert werden könne.

In der Diskussion äußerten einige Redner Zweifel an der Machbarkeit einer Wasserstoffwirtschaft. Schulze konterte diese Einwände mit dem Hinweis: »Das Rennen ist noch nicht entschieden.«