Positionspapier der DBU zum Thema Umweltrelevanz von Arzneimitteln

Diskussion © Astra Zeneca
Pharmaforscher diskutieren ein Wirkstoffmodell
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Arzneimittelrückstände lassen sich in zahlreichen Umweltproben weltweit nachweisen. Sie belasten unsere Umwelt und können unerwünschte Wirkungen insbesondere in der aquatischen Umwelt verursachen. Auch für die menschliche Gesundheit können Gesundheitsgefahren nicht ausgeschlossen werden. Die in vereinzelten Trinkwasserproben nachgewiesenen Spuren lassen keine unmittelbare Gesundheitsgefahr erwarten; Langzeitwirkungen sind bisher aber nicht erforscht. Insbesondere durch den Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin und Tierhaltung und die damit einhergehende Ausbreitung resistenter Keime besteht die Gefahr, dass zukünftige Generationen nur noch eingeschränkt über sichere und wirksame Antibiotika verfügen können. Die DBU fordert daher, Möglichkeiten zur Vermeidung des Eintrags von Arzneimitteln in die Umwelt zu nutzen, unnötige Antibiotikaverschreibungen abzustellen, Hygienemaßnahmen zu verbessern, umweltgerechte Arzneistoffe zu entwickeln sowie das Umweltmonitoring und die Wirkungsforschung zu stärken.

Arzneimittelrückstände in der Umwelt – ein globales Problem

Arzneimittel sind für die Gesundheit von Mensch und Tier unverzichtbar. Nach der Anwendung der Wirkstoffe werden die Substanzen und ihre Metabolite ausgeschieden und können in die Umwelt gelangen. Seit Mitte der 80er Jahre werden vermehrt Arzneimittel in der Umwelt nachgewiesen. In mehr als 70 Ländern der Welt finden sich in Umweltproben mehr als 500 verschiedene Arzneimittel und deren Metabolite. Sie sind in Oberflächengewässern, Grundwasser, Trinkwasser, Boden, Sediment, Klärschlamm sowie Gülle nachgewiesen. In der Umwelt können sie unerwünschte Wirkungen verursachen. Sie können nachweislich Lebewesen in der aquatischen Umwelt beeinträchtigen. So schädigen das Antiepileptikum Carbamazepin und der Betablocker Metoprolol Organe bei Fischen. Das Empfängnisverhütungsmittel Ethinylestradiol verändert Geschlechtsmerkmale bei Fischen und das Psychopharmakon Oxazepam verändert das Verhalten von Barschen. Etwa die Hälfte der 2.300 in Deutschland verwendeten Wirkstoffe gilt als umweltrelevant.

Das Monitoring von Arzneimitteln in der Umwelt befindet sich noch im Aufbau. Auch die Untersuchung von Wirkungen insbesondere auf aquatische Lebewesen befindet sich erst am Anfang. Hier bestehen noch Informationsdefizite bezüglich der Eintragsmengen, der Herkunft, der Metabolisierung bzw. Transformation, der Wirkung der Wirkstoffe, Metaboliten und Transformationsprodukte auf aquatische Lebewesen sowie der Abbaubarkeit und des Verbleibs in der Umwelt. Dies gilt im besonderen Maße für Altwirkstoffe, für die keine Umweltrisikoprüfung durchgeführt wurde.

Gesundheit für Mensch und Tier langfristig sichern

Für die menschliche Gesundheit spielt die Versorgung mit sauberem und gesundem Trinkwasser eine herausragende Rolle. Derzeit werden vereinzelt Spuren von Arzneimitteln in Trinkwasserproben nachgewiesen. Die bisher gefundenen Konzentrationen lassen keine unmittelbare Gesundheitsgefahr erwarten, jedoch sind Langzeitwirkungen niedrigster Konzentrationen bisher nicht erforscht.

Die Verwendung von Antibiotika sowohl in der Humanmedizin als auch in der Tierhaltung stellt uns vor eine große Herausforderung: Jede Anwendung von Antibiotika begünstigt das Überleben und die Ausbreitung von Keimen, die gegen die Wirkstoffe resistent sind. Seit geraumer Zeit wird eine Zunahme Antibiotika resistenter Keime beim Menschen beobachtet. Besorgniserregend ist vor allem die Entstehung multiresistenter Bakterienstämme. Der medizinische Fortschritt ist bereits seit einigen Jahren nicht mehr in der Lage, mit der Ausbreitung der Resistenzen Schritt zu halten. Es besteht die Gefahr, dass in Zukunft für die Behandlung vieler gefährlicher Infektionserkrankungen keine wirksamen Antibiotika mehr zur Verfügung stehen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht bereits von einer „postantibiotischen Ära“. Hierzu bedarf es einer gesellschaftlichen Diskussion über den Wert der „Schlüsseltechnologie Antibiotika“.

Antibiotika müssen, um eine optimale Wirkung zu entfalten und Resistenzausbreitung vorzubeugen, gut überlegt und bedarfsgerecht eingesetzt werden. Dies ist sowohl in der Humanmedizin als auch in der landwirtschaftlichen Praxis nicht immer der Fall. In der Humanmedizin wurden knapp 30 Prozent aller Antibiotika-Verordnungen kürzlich als fragwürdig eingestuft. Zudem werden zu häufig sogenannte Breitbandantibiotika wie zum Beispiel Amoxicilin, Cefuroxim und Ciprofloxacin verschrieben. Beides führt zu einem erhöhten Risiko der Resistenzausbreitung Auch in der Veterinärmedizin ist der Antibiotikaeinsatz erheblich: Neun von zehn Mastputen in Nordrhein-Westfalen erhalten Antibiotika; die E. coli-Resistenzrate in der Putenmast liegt bei 90 Prozent. Es gibt Hinweise, dass auch Stallgröße bzw. Herdengröße Einfluss auf die Resistenzentwicklung haben. Hinzu kommt, dass Veterinärarzneimittel aus der Schweine- und Geflügelmast mit dem Wirtschaftsdünger in die Umwelt gelangen. Über die Stallabluft gelangen Arzneimittelrückstände mit Staub und Bioaerosolen in die Stallumgebung.

Handlungsbedarf sehen wir gerade bei der Verminderung von Resistenzen zum Schutz der menschlichen Gesundheit. Um auch zukünftigen Generationen Zugang zu sicheren und wirksamen Antibiotika zu ermöglichen, müssen unnötige Antibiotikaverordnungen abgestellt sowie Hygiene- und Präventionsmaßnahmen verbessert werden. In der Tierhaltung müssen Stallmanagement, Abluftmanagement, Herdengröße sowie die Verabreichungspraxis der Arzneimittel über Futter bzw. Tränkwasser überdacht und ggf. geändert werden und Eingang finden in die Nachhaltigkeitsbewertung in der Tierhaltung.

Arzneistoffe umweltgerecht entwickeln und verabreichen

Um das Vorkommen von Arzneimitteln in der Umwelt zu reduzieren sind vielschichtige und kurz-, mittel- sowie langfristige Maßnahmen notwendig. Die DBU unterstützt die Entwicklung naturnaher und technischer Verfahren zur Elimination von Spurenstoffen im Kläranlagenablauf. Die Nachrüstung von Kläranlagen erscheint insbesondere bei empfindlichen Vorflutern erforderlich. Im Rahmen ihrer Förderinitiative „Nachhaltige Pharmazie“ greift die DBU vorsorgende Ansätze auf, die die Umweltauswirkung bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe und pharmazeutischer Produkte stärker berücksichtigen. Techniken wie „benign by design“, „drug targeting“, personalisierte Medizin und eine verbesserte Diagnostik sowie die Änderung der Darreichungsform zum Beispiel durch Mikronisierung, Pellets statt Pulver in der Tierhaltung usw. bieten vielversprechende Ansätze, um die Ausscheiderate der Wirkstoffe deutlich zu reduzieren und die Umweltwirkung zu mindern. Allerdings fehlt hierfür bisher ein Anreiz für die pharmazeutischen Hersteller. Als einen ersten Schritt fordert die DBU daher, dass Aspekte der Arzneimitteleinträge in die Umwelt und die möglichen Wirkungen inklusive die Gefahren von Resistenzbildungen Eingang in Nachhaltigkeitsbewertungen und -berichte der pharmazeutischen Industrie finden.